Türkei und EU – Perspektiven einer Beziehung

Der Termin für den Türkei – Bericht der EU – Kommission, der Entscheidungsgrundlage für die Aufnahme von Verhandlungen sein wird, rückt näher. Am 6. Oktober will ihn der zuständige Erweiterungskommissar Günter Verheugen vorlegen. Hatte Verheugen während seiner jüngsten Türkei – Reise noch viele ermutigende Worte für die türkische Regierung und ihre entschlossene Reformpolitik gefunden, ist es jetzt zum Dissens gekommen. Ankara hat die von der EU geforderte Strafrechtsreform verschoben, die mehr Meinungsfreiheit gewährleisten und Folter unter strenge Strafen stellen soll. Sollte die Reform nicht rechtzeitig in Kraft treten, käme Verheugen mit seinem Bericht in Bedrängnis.

Für Kritiker ist das Vorgehen der türkischen Regierung ein weiterer Beweis dafür, dass die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt deutlich verfrüht wäre. In Deutschland machen sich CDU und CSU schon seit geraumer Zeit dafür stark, vernünftige Alternativen zu einem EU – Beitritt der Türkei zu erwägen. Edmund Stoiber warnt seit Monaten vor den unabsehbaren Folgen, die mit der Aufnahme von Verhandlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt verbunden sind. Und Angela Merkel hat sich gerade in einem persönlichen Schreiben an die EVP – Mitglieder der EU – Kommission sowie alle EVP – Partei- und Regierungschefs gewandt und darin für eine privilegierte Partnerschaft geworben.

Denn klar ist: Die Türkei ist als Bündnispartner und als Brückenkopf in die islamische Welt von großer Bedeutung. Aber die Auswirkungen einer Vollmitgliedschaft auf die EU selbst und die Signalwirkung für andere nichteuropäische Beitrittsaspiranten wären immens. Insofern ist es wichtig, dass die anstehenden Schritte vollends abgewogen sind. Sonst entsteht ein Beitritts – Automatismus, dem die EU – selbst wenn sie wollte – dann nichts mehr entgegensetzen kann.

De facto heißt das: Bei allem Wohlwollen müssen in dem anstehenden Bericht die ungelösten Probleme, gerade in Fragen der Menschenrechte, benannt werden. Es reicht nicht, dass die sogenannten ‚Kopenhagener Kriterien‘ am Ende der Verhandlungen erfüllt sind. Sie müssen die Startvoraussetzung sein. Darüber hinaus müssen weitere Möglichkeiten, die anstelle einer Vollmitgliedschaft in Frage kommen, Bestandteil möglicher Verhandlungen sein, um den notwendigen Spielraum für die EU zu erhalten. Die EU darf auf keinen Fall in ihrer Integrationskraft überfordert werden.

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