
Frühe Besiedlung und Namensgebung
Zu den ältesten Orten Bayerns zählen jene, deren Namen – wie bei Neuching – aus einem altgermanischen Personennamen und der Endsilbe „-ing“ bestehen. Solche Ortsnamen sind kleine sprachliche Urkunden: Sie nennen den Gründer des Ortes und deuten auf den Zeitraum der Entstehung hin.
Vor über 1400 Jahren wanderten unsere germanischen Vorfahren aus Böhmen (Baiohaim) in das heutige Altbayern und in die Ostmark ein. Dieses Gebiet war durch die Wirren der Völkerwanderung (z. B. durch die Hunnen) und den Abzug der Römer im Jahr 488 fast entvölkert. Nur wenige Reste der Vorbevölkerung – von den neu Zugezogenen „Walchen“ genannt – waren geblieben und wechselten lediglich den Herrn.
Diese Walchen waren Nachkommen der keltischen Vindelizier, die um 15 v. Chr. von den Römern unterworfen und seither romanisiert und christianisiert worden waren. Auf die keltische Bevölkerung gehen viele Flussnamen in Bayern zurück, etwa Isar, Sempt, Isen, Strogen und Dorfen. Auch in unserer Region dürften Walchen gesiedelt haben – alte Straßenzüge und Schanzen werden ihnen zugeschrieben. Möglicherweise befand sich in Oberneuching bereits ein keltischer Gutshof, der später in römischer Zeit zu einem Staatsgut wurde.
Einwanderung der Bajuwaren
Die Bajuwaren waren ein Bauernvolk, das in Adel, Freie und Unfreie untergliedert war. Der Adel verfügte über zahlreiche Hörige, die Freien über weniger. Die Walchen wurden zu Unfreien und mussten den neuen Herren dienen. Bereits bestehende römische Staatsgüter wurden von der herzoglichen Familie der Agilolfinger in Besitz genommen – so wohl auch das Gut in Oberneuching.
Der übrige Adel verteilte sich auf verschiedene Geschlechter: die Huosier, Drozzen, Faganer, Hahilinga und Annionen. In unserer Gegend waren vor allem die Faganer mit großem Grundbesitz vertreten. Die Orte Fang (bei Reithofen) und Fagn (Pfarrgemeinde Gelting) verdanken ihren Namen diesem Geschlecht. In Dieng unterhielten die Faganer einen Hof. Am 7. Juli 750 stellten dort vier Brüder – Rapulo, Anulo, Westi und Wurmhart – eine Urkunde aus, mit der sie Besitz an den Bischof von Freising und an Herzog Tassilo übergaben. Auch Herzog Tassilo war wohl zu dieser Zeit auf dem Herzogshof in Neuching anwesend.
Ortsnamensentstehung
Auch freie Bajuwaren besaßen eigene Güter, die nach ihren Gründern benannt wurden. So ließ sich etwa ein freier Mann namens Nivviho an der Dorfen nieder. Seine Sippe und Hörigen wurden Nivvihinga genannt – daraus entwickelte sich der Ortsname Neuching. Der erste Siedler in Moosinning war wohl ein Undeo; aus Undesinga wurde später Inning, analog wie aus Deoinga das heutige Ding wurde.
Bestattung und Christianisierung
Die frühen Bajuwaren bestatteten ihre Toten in Reihengräbern. Männer erhielten Waffen (Schwert, Lanze, Schild), Frauen ihren Schmuck. Die Gräber waren nach Osten ausgerichtet – zur aufgehenden Sonne. Solche Gräber wurden u.a. in Niederneuching, Moosinning und Notzing entdeckt und stammen aus vorchristlicher, heidnischer Zeit.
Mit der Zeit nahmen die Bajuwaren – wohl dem Vorbild des Herzogs folgend – den katholischen Glauben an. Auch das Beispiel der christlichen Walchen mag dazu beigetragen haben. Laut Maier-Westermaier soll in Niederneuching eine der frühesten Taufkirchen der Region gestanden haben.
Synoden und Urkunden
Am 14. Oktober 771 fand in Neuching eine vom Herzog Tassilo einberufene Synode statt, bei der klösterliche Regeln und die Amtspflichten der Bischöfe diskutiert wurden. Es entstanden dabei auch neue Volksgesetze in 18 Artikeln. Im Jahr 782 war Tassilo erneut vor Ort. Der Diakon Leidrat, späterer Bischof von Lyon, zeichnete auf seinen Befehl hin eine Schenkung an das Kloster Schäftlarn auf.
Nach Tassilos Absetzung durch Karl den Großen im Jahr 788 wurde der Herzogshof in Neuching ein fränkischer Königshof („curtis regalis in villa Nuichinga“). Am 16. Juli 950 schenkte König Otto I. diesen dem Kloster St. Emmeram in Regensburg.
Ungarnkriege und Wiederaufbau
Im Jahr 955 kam es zwischen Freising und Erding zu einem blutigen Gefecht mit den einfallenden Ungarn. Dabei wurde vermutlich auch die Kirche in Notzing zerstört. Beim Wiederaufbau erhielt sie neben dem alten Patron, dem hl. Nikolaus, auch den hl. Ulrich als zweiten Patron – er hatte beim Sieg auf dem Lechfeld maßgeblich mitgewirkt. Bischof Otto von Freising berichtet, dass Altenerding viermal von den Ungarn niedergebrannt wurde.
Mittelalterliche Entwicklung
Im Jahr 1100 schenkte eine Frau namens Pertha einen Getreidezehnt und drei Tagwerk Land in Nuichinga dem Freisinger Dom. 1160 tritt ein Rumold von Neuching als Zeuge in einem Vertrag mit dem Kloster St. Emmeram auf. Seine Nachkommen waren Niklas, Conrad, Hermann und Eberhard.
Im Jahr 1443 stifteten die Neuchinger Edlen eine Kapelle und eine Messe in die Pfarrkirche. 1336 lagerte Kaiser Ludwig der Bayer zwischen Freising und Erding – auch Neuching musste zur Versorgung beitragen. Um 1550 war Wilhelm der Neuchinger, begütert in Kirchötting und Hörgersdorf, als Küster in Erding tätig und ein Wohltäter des dortigen Spitals.
Ein Lehensbuch aus dem frühen 17. Jahrhundert dokumentiert die Abhängigkeit von Leibeigenen. 1595 teilten sich Warmund und Niklas die Neuchinger sowie die Erben Georg Parths den Edelsitz Neuching. Spätere Besitzer waren u.a. die Familien Schenk, Aham und Rivera. In der Pfarrkirche befinden sich noch kunstvoll gearbeitete Grabsteine des Hans Neuchinger († 1582) und des Bannrichters Christoph Neuchinger (1602).
Kirchliche Stiftung und Kriegszeiten
1444 wird Johannes Püchelrieder als erster bekannter Pfarrer von Oberneuching genannt. 1470 stiftete eine Frau namens Diemutt Leblin eine Wochenmesse für Niederneuching – damals eine beachtliche Summe von 15 Gulden. Nach dem Aussterben der Neuchinger Edlen fiel das Stiftungsrecht an die Grafen von Armensberg und wurde 1863 mit der Pfarrei vereinigt.
Während des Landshuter Erbfolgekriegs (1504–1505) litten beide Orte unter Plünderungen. Ein Bericht von 1619 erwähnt einen „Auflauf“, bei dem der Pfarrer vom Ordinariat beklagt, ihm seien die Kirchenschlüssel von der weltlichen Obrigkeit entzogen worden. Welcher Vorfall damit gemeint ist, bleibt unklar – möglicherweise handelt es sich um den Bauernaufstand von 1596 in der Grafschaft Haag.
Baugeschichte der Kirchen
An der nördlichen Außenseite der Pfarrkirche in Oberneuching befindet sich ein Tympanon mit Relief des Heilands – ein Überrest des frühromanischen Kirchenbaus um 1050. Der heutige barocke Bau entstand nach dem Brand von 1676, der Turm-Oberbau um 1700, das Gewölbe im Jahr 1756.
Ein hölzerner Getreidekasten von 1494 stand einst beim Greindlbauern und wurde später in Grub wieder aufgebaut. Die Kirche in Niederneuching wurde von 1690 bis 1695 durch den Erdinger Maurermeister Hans Knogler neu errichtet, unter Beibehaltung gotischer Elemente. Die Stuckaturen stammen vermutlich ebenfalls von Knogler, das Emporenbild („Leben des hl. Johannes“) wurde 1693 von Peter Höller aus Grafing geschaffen. Die Altäre sind Werke des Rokoko.