Es ist ein Ärgernis: Ausgerechnet die Bundesrepublik Deutschland – einstmals vehemente Verfechterin des EU-Stabilitätspaktes – muss heute darauf hoffen, dass dieser von ihr maßgeblich mitgestaltete Pakt geändert wird.
Und die Chancen für den Dauersünder in Sachen Staatsdefizit, Bundesfinanzminister Hans Eichel, stehen nicht schlecht. Denn die EU-Kommission hat jetzt ein Maßnahmenpaket vorgelegt, mit dem eine flexiblere Auslegung des Stabilitätspakts möglich wird.
Diese Reformvorschläge kommen vor allem den beiden ‚Großen‘ in der EU, Frankreich und Deutschland, entgegen, die jetzt mehrere Jahre in Folge die 3,0-Prozent-Hürde beim Staatsdefizit gerissen haben. Insofern könnte sich die EU-Kommission dem Vorwurf aussetzen, sie habe ihre Reformvorschläge vor allem auf Druck dieser beiden Länder gemacht. Es ist nicht unbedingt ein Beitrag zu Glaubwürdigkeit und Stabilität, wenn Regeln zunächst gebrochen und dann im Nachhinein den veränderten politischen Verhältnissen angepasst werden.
Deshalb darf die Reform keinesfalls ein Freibrief für Defizitsünder werden!
Auf der anderen Seite bewerten Finanzexperten die von der EU-Kommission angestrebte Reform auch als positiv. Denn sie soll unter anderem verhindern, dass Sparmaßnahmen in einem Haushalt, die durch den Stabilitätspakt erzwungen werden, möglicherweise einen Konjunkturabschwung noch verstärken könnten. Außerdem will die EU-Kommission so genannte „wachstumsfördernde Maßnahmen“ in einem Haushalt stärker berücksichtigen und damit den Mut zu Reformen insgesamt stärken: Für Länder mit einem höheren Schuldenstand ist das eine Chance, weil in diesem Fall die Staatsausgaben erst mittelfristig verringert werden müssten, und für Länder mit niedrigem Schuldenstand eine Ermutigung, höhere Defizite zu riskieren, um mehr in Zukunftsaufgaben zu investieren.
Entscheidend für den Erfolg des Reformpakets wird jedoch sein, inwieweit die Mitgliedsstaaten bereit sind, der neuen Regelung zu folgen und in Zeiten guter Konjunktur ihre Defizite stärker abzubauen.